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THOMAS LÜNSER – BERLINER BILDER

10. Mai 2017

1981 kam ich als junger Achtzehnjähriger nach Berlin. Die Stadt hatte schon immer eine starke Anziehungskraft auf mich. Hier studierte ich, lernte meine Frau kennen und hier begann ich auch mit der Malerei. 1983 schloss ich mich einer Gruppe Berliner Malerfreunde an, die sich im Stadtbezirk Friedrichshain unter Anleitung erfahrener Künstler formierte. Das Studio „Otto Nagel“ wurde für viele Jahre mein künstlerisches Zuhause. Im Studio machte ich mich mit den verschiedenen Drucktechniken vertraut, studierte Anatomie, Komposition und Portrait.

Mit den neuen Malerfreunden entdeckte ich nach und nach die eigenartige Schönheit der morbiden und vor sich hindämmernden Berliner Straßen, kroch in alten, leerstehenden Fabriken herum und lernte die Spree mit ihrem charakteristischen Geruch lieben. Ein unbestimmtes Gefühl, dass dieser seltsame Zustand nicht von Dauer sein konnte, trieb mich immer wieder hinaus, neue Motive zu erkunden. Wie ein Chronist einer untergehenden Welt zeichnete ich Berliner Motive, fotografierte und skizzierte. Mit der aufwändigen Aquatinta-Drucktechnik begann ich zu experimentieren. Das Spiel mit den verschiedenen Grautönen passte zum Charakter der Stadt. Systematisch zog ich mit Gleichgesinnten durch die stillen, halbzerfallenen Straßen der Innenstadt, die dank der Grenzziehung zur Randstadt geworden war. Die Skizzen dienten als Vorlagen für die „Berliner Chronik 1982-1992“.

Neben den vielen Farbarbeiten entstanden Graphikserien, u.a. eine Aquatinta-Reihe, bestehend aus 18 Blättern („Graue Reihe“), eine Kaltnadelradierung-Reihe („Berliner Industriebauten“) und zwei Lithographie-Reihen („Berlin-Schwarz-Weiss“ und „Museumsinsel“) sowie zahlreiche Einzelblätter.

In den Neunziger Jahren begann ich mit Ölfarben zu experimentieren. Die Monotypie-Technik wurde für mich zu einem neuen Experimentierfeld. Spachtel und Pinsel wurden gemeinsam eingesetzt. Es entstanden zwei große Farbserien: „Berlin bei Nacht“ und „Die Oranienburger Straße“. Ebenfalls verfolgte ich die mir vertraute Aquarelltechnik weiter. Eine kleine Serie „Marzahner Gärten“ entstand ebenfalls in dieser Zeit.

Zeitgleich begann dank der Freundschaft zu dem Schriftsteller Roland Lampe eine langjährige Arbeit mit Feder und Tusche. Illustrationen zu diversen Werken Lampes entstanden: anfangs noch im kleinen, selbstgegründeten Off-Verlag „Krausnick-Verlag“, später dann auch für die bei diversen Verlagen veröffentlichten Kurzgeschichten und Gedichte. U.a. steuerte ich die Illustrationen für Lampes „Die Stadt Allerdings“, „Tage mit Trost“, „Glück ist das Ende der Poesie“ und „Der Besuch der Tante“ bei. Ebenfalls begann eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Malerkollegen Udo Hagedorn. Das Ergebnis ist das gemeinsam herausgegebene Buch „Was macht der Fisch am Tisch?“.

Zusammen mit Malerfreunden aus dem Studio „Otto Nagel“ Friedrichshain nahm ich an vielen Ausstellungen teil. Öfter wurden auch kleiner Personalausstellungen in Berliner Galerien organisiert, in denen ich vor allem meine Berliner Bilder einem interessierten Publikum vorstellen konnte. Speziell in der von dem Berliner Graphiker Knut Norbert firchau geleiteten Werkstattgalerie bekam ich zahlreiche Möglichkeiten meine Werke auszustellen. Die Werkstattgalerie „Glatzkasten“ (in der Glatzer Straße“ im Friedrichshain gelegen) war für lange Zeit meine künstlerische Heimat. Mit Malerfreunden aus diesem Umfeld begann ich auch, das Berliner Umland zu erkunden. Erste Brandenburg-Touren folgten. In der spröden märkischen Landschaft entdeckten wir einen produktiven Kontrast zum Großstadtleben und begannen peu a peu die neuen Motive mit einzubeziehen.

ÜBER THOMAS LÜNSER

Es gibt wohl kaum einen zweiten Maler, der die Brandenburgische Landschaft so zum Leuchten bringt wie der Berliner Thomas Lünser. Es leuchtet das Gelb der Rapsfelder und Strohballen, es leuchtet das Blau der Havel bei Petzow und Zehdenick, und es leuchtet das Rot einer Scheune in der Prignitz oder des Kirchendaches in Klein Briesen.

Malerei bedeutet für ihn eine starke Bewusstseinserweiterung. Man erlebt seine Umwelt viel intensiver, schaue genauer hin, entdecke dadurch Dinge, die man sonst nicht sehen würde und erschaffe „Welten“, die keiner vorher gesehen hat …

Geboren 1963 im Thüringischen Suhl, lebt Thomas Lünser seit seinem 18. Lebensjahr in Berlin.